Die SVP hat in jeden Haushalt ein “Extrablatt” verschicken lassen. Es ist durchsetzt mit falsch dargelegten Fakten und sogar ganz offensichtlichen Lügen. Wer solche Unwahrheiten verbreitet, der weiss offenbar selber, dass an seiner Initiative einiges faul ist. Hier die 5 grössten Lügen des “Extrablatts”.
1. Die Verweigerungs-Lüge
“Bundesrat und Parlament haben sich geweigert, den Volkswillen umzusetzen. Nach 5 Jahren ist noch immer kein Gesetz in Kraft” (S.1):
Die Ausschschaffungsinitiative ist wortgetreu umgesetzt und ein ganzes Paket von Gesetzesänderungen vom Parlament am 20. März 2015 verabschiedet worden. Jedoch blockiert die “Durchsetzungsinitiative” deren Inkraftsetzung: Erst bei einem Nein zur “Durchsetzungsinitiative” tritt das härteste Ausländergesetz Europas in Kraft. Hier finden Sie das Umsetzungsgesetz. Die Umsetzung war innert der von der Ausschaffungsinitiative gesetzten Frist von 5 Jahren umgesetzt. Die SVP hat das Referendum dagegen nicht ergriffen. Die Durchsetzungsinitiative ist zudem lanciert worden, noch bevor klar war, wie die Umsetzung durch das Parlament aussehen würde.
2. Die “Durchsetzungs”-Lüge
“Die [Durchsetzungs]Initiative korrigiert die verwässerte Gesetzgebung, welche das Parlament zur Ausschaffungsiniative beschlossen hat” (S. 2):
Die “Durchsetzungsinitiative” erweitert den Deliktkatalog der Ausschaffungsinitiative um 35 zusätzliche Delikte wie “einfache Körperverletzung”, “Hausfriedensbruch in Verbindung mit Sachbeschädigung”, “Drohung gegen Beamte”, “falsche Übersetzung”, “Widerhandlung das Betäubungsmittelgesetzes”, etc. (siehe den Text Durchsetzungsinitiative). Diese Ausweitung entspricht nicht dem mit der Annahme der Ausschaffungsinitiative geäusserten Volkswillen. Die Auswertungen des Bundesamtes für Statistik zeigen eindrücklich, dass sich die fast dreifach höheren Ausschaffungszahlen der Duchsetzungsinitiative (ca. 10’000) gegenüber den Zahlen bei der Umsetzung des Parlamentes (bis 3’800) aus dem zusätzlichen Deliktkatalog ergeben. In der Gesetzgebung zur Ausschaffungsinitiative folgt das Parlament bewusst dem Wortlaut und Ziel der Ausschaffungsinitiative, hält sich aber im Gegensatz zur Durchsetzungsinitiative an die in der Verfassung festgelegten rechtsstaatlichen Grundsätze wie das Verhältnismässigkeitsprinzip oder die Einzelfallbeurteilung.
3. Die Sicherheits-Lüge
“Schwer straffällige Ausländer könnten [mit der Durchsetzungsinitiative] in der Schweiz nicht mehr straffällig werden” (S.2):
Die meisten durch Ausländer begangenen Delikte werden in der Schweiz durch Kriminaltouristen begangen (siehe dazu auch den Artikel der NZZ). Die Durchsetzungsinitiative und die Ausschaffungsinitiative legen fest, wann einem Ausländer die ausländerrechtliche Bewilligung entzogen wird. Sie betreffen also nur Personen, die in der Schweiz einen Aufenthaltsstatus haben. Das haben Kriminaltouristen nicht (genau so wenig wie abgewiesene Asylsuchende und Sans-Papiers). Die Initiative betrifft sie schlichtweg nicht. Einen Kriminaltouristen interessiert es im Übrigen auch nicht, ob er die Schweiz nicht mehr betreten darf, wenn er sowieso illegal hier ist um Einbrüche zu begehen. Er wird also weiterhin versuchen das Land zu betreten. Hinzu kommt, dass Ausschaffungen in viele Länder gar nicht stattfinden können. Aus diesen Gründen ist die Durchsetzungsinitiative nichts anderes als eine Scheinlösung mit gravierenden Nebenwirkungen.
4. Die Kuschel-Justiz-Lüge
“Ist die Ausschaffung für den Verbrecher unangenehm, kann das Gericht darauf verzichten” (S.1):
Die “Härtefallklausel” ist sehr rigide formuliert und hat nichts mit dem Gegenvorschlag von 2010 zu tun, damals wurden Verurteilungen von – je nach Delikt – unter ein bis zwei Jahre Haft von der Ausschaffung ausgenommen. Der Gegenvorschlag hat sich also am Strafmass orientiert, währenddem die Umsetzung durch das Parlament sich lediglich am erfüllten Delikt orientiert. Es erfüllt also gerade jenen rücksichtslosen Automatismus, der der SVP so wichtig ist. Zum Inhalt der aktuellen “Härtefallklausel”: “Das Gericht kann AUSNAHMSWEISE von einer Landesverweisung absehen, wenn diese für den Ausländer einen SCHWEREN persönlichen Härtefall bewirken würde UND die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen.” Auf die Ausschaffung wird nur “in Ausnahmefällen” verzichtet. Der grosse Unterschied zwischen den ca. 10’000 Ausschaffungen durch die “Durchsetzungsinitiative” gegenüber der ca. 3’000 durch die Ausschaffungsinitiative kommt von den bereits erwähnten zusätzlichen 35 Delikten, die die “Durchsetzungsinitiative” einführt, nicht von den “Härtefällen”, siehe dazu die oben erwähnte Auswertungen des Bundesamtes für Statistik. Die Härtefallklausel sieht lediglich eine rechtsstaatliche Güterabwägung zwischen individuellen und öffentlichen Interessen vor. Die Durchsetzungsinitiative würde dazu führen, dass die individuellen Interessen – auch der (unschuldigen) Angehörigen wie etwa die Kinderrechte – auch bei kleineren Delikten gar nicht mehr beachtet würden.
5. Die Lüge vom Augenmass der Initiative
“Es gibt [in der Durchsetzungsinitiative] sehr schwere Delikte, bei denen die sofortige Ausweisung zwingend ist, und es gibt Delikte, bei welchen im Wiederholungsfall eine Landesverweisung angeordnet wird.” (S.2):
Das Wort “Wiederholungsfall” ist falsch. Das Wort suggeriert eine zweite gleiche oder ähnliche Tat oder zumindest eine ähnliche Schwere der Tat. Die “Durchsetzungsinitiative” führt jedoch die Ausschaffung bei 35 zusätzlichen Delikten ein, wenn der Angeklagte in den 10 Jahren zuvor bereits mit einer beliebigen Geld- oder Freiheitsstrafe belegt wurde. Zudem führen auch leichte Vergehen bei der Durchsetzungsinitiative ohne Vorstrafe zu einem Landesverweis. So insbesondere der neu eingeführte “Sozialversicherungsmissbrauch” – hier reicht die falsche Abrechnung einer Kinderzulage oder Krankenversicherungsleistung für den Landesverweis. Es wird auch immer wieder behauptet die DSI enthalte keine Bagatelldelikte. Dies ist falsch: Es finden sich in der Durchsetzungsinitiatve sowohl im Deliktskatalog der ohne Vorstrafe zu einer Landesverweisung führt, als auch bei der Vorstrafenregelung mehrere Delikte, die ein Bagatellfall im Sinne der Schweizerischen Strafprozessordnung darstellen können (vgl. Art. 132 Abs. 3 Strafprozessordnung gemäss der ein Bagatellfall dann vorliegt, wenn eine Freiheitsstrafe von weniger als 4 Monaten oder eine Geldstrafe von weniger als 120 Tagessätzen zu erwarten ist).