Die Hitparade der besten schlechten Argumente der Befürworter der Durchsetzungsinitiative

Auf unseren Streifzügen durch die Facebook-Kommentarlandschaften stossen wir bei den Befürwortern der Durchsetzungsinitiative immer wieder auf die gleichen Behauptungen und Argumente. Damit diese nicht unkommentiert in der Datenflut des Internets untergehen, haben wir uns entschlossen, die besten der schlechten Phrasen mit einem eigenen Beitrag zu ehren.

Lade die Bilder herunter oder poste den jeweiligen Link direkt als Kommentar zu den besten schlechten Argumenten der Befürworter oder als Status-Update. Auch die Texte können zu diesem Zweck verwendet werden.

“Wer anständig ist, hat nichts zu befürchten.”

Nach der Annahme wird es ein einfaches sein, jemandem ein kleines Delikt anzuhängen (oder damit zu drohen), wenn man die Person raus haben will. Ausländer werden erpressbar und können sich auch bei anständigem Verhalten nicht sicher fühlen. Und überhaupt, seit wann ist Unanständigkeit ein Ausschaffungsgrund? Haben Sie sich noch nie unanständig aufgeführt wenn Sie betrunken oder im Stress waren? Ausschaffungen müssen sich auf Schwerkriminelle beschränken, sonst werden sie willkürlich und gefährden das Zusammenleben in der Schweiz.

“Niemand wird gezwungen, kriminell zu werden!”

Korrekt, allerdings ist das Leben nicht so schwarz-weiss wie es die DSI-Befürworter (oder ihre Plakate) gerne hätten. Im Deliktekatalog der Durchsetzungsinitiative stehen diversen „Kleinigkeiten“ mit denen man gemäss Initiative plötzlich als kriminell gilt (Fallbeispiele zur automatischen Ausschaffung oder Auch Managern droht Ausschaffung). Ungerechtfertigte und ungerechte Landesverweise wären durch den Ausschluss richterlichen Ermessens vorprogrammiert.

“Ich habe kein Vertrauen in die Richter!”

Es ist die Aufgabe der Richter, die demokratisch erlassenen Gesetze auf den Einzelfall anzuwenden. Die Prüfung des Einzelfalls ist dabei zentral, weil jeder Fall unterschiedlich ist. Es kann natürlich vorkommen, dass Richter Fehler machen. Aber die Vermutung, dass ein blindwütiger Automatismus, welcher Menschen auch bei kleinsten Fehltritten ausnahmslos ausschafft, einen besseren Job macht als die Richter, ist absurd.

“Niemand wird für einen Bagatellfall ausgewiesen.”

Das ist schlicht und einfach falsch. Ein Sozialversicherungsbetrug ab 300 Franken führt laut dem Text der Durchsetzungsinitiative zu einer automatischen Ausschaffung. Das soll kein Bagatellfall sein? Wenn man einmal mit 70 km/h durch eine 50er-Zone fährt und innerhalb der nächsten zehn Jahre einen Beamten beleidigt, führt das zur automatischen Ausschaffung. Das soll kein Bagatellfall sein? Wer behauptet, dies seien keine Bagatellfälle, sondern schwere Verbrechen, der verharmlost die wirklich schweren Verbrechen.

“Ausländer müssen sich an die Regeln halten!”

Ja, und Schweizer auch, aber es kann nicht sein, dass Ausländer selbst für Bagatelldelikte viel härter (oder zusätzlich) bestraft werden. Das widerspricht dem Grundsatz der Rechtsgleichheit: Artikel 8 der Schweizerischen Bundesverfassung sagt “Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich”.

“Ein Gast, der sich nicht benimmt, verliert sein Gastrecht!”

Ausländer sind nicht einfach Gäste. Oder müssen Gäste bei Ihnen zu Hause arbeiten und Steuern zahlen?

“In Gefängnissen hat es einen hohen Ausländeranteil!”

Mehrere Studien zeigen, dass vor allem Männer straffällig werden. 90% der Gefängnisinsassen sind Männer! Wir müssen uns vor ihnen schützen! Sie sind in unserer zivilisierten Schweiz einfach nicht integrierbar… Kriminelle Männer ausschaffen! Oder aber wir bleiben bei der rechtsstaatlichen Auffassung, dass Verbrechen nicht von Kategorien mit gewissen Merkmalen (Ausländer, Mann), sondern von Individuen begangen werden – und auch als solche bestraft werden sollen.

“Parlament und Regierung haben den Volkswillen nicht umgesetzt! Volkswillen umsetzen!!!!”

Die Unterschriftensammlung zur Durchsetzungsinitiative wurde lanciert bevor die Ausschaffungsinitiative überhaupt umgesetzt war: Abstimmung Ausschaffungsinitiative: 28. November 2010. Zeit für die Umsetzung der Initiative: 5 Jahre. Einreichung der Unterschriften für die Durchsetzunsinitiative: 28. Dezember 2012. Die Durchsetzungsinitiative gäbe es also, ganz egal wie das Parlament die Ausschaffungsinitiative umgesetzt hätte. Sie diente der SVP als Wahlkampfturbo bei den National- und Ständeratswahlen. In der Zwischenzeit wurde die Ausschaffungsinitiative umgesetzt und die SVP hätte, wie es sich gehört, das Referendum gegen das vom Parlament ausgearbeitete Gesetz ergreifen können. Kommt dazu: Bei der Initiative handelt es sich nicht um die Durchsetzungsinitiative zur Ausschaffungsinitiative. Der Deliktekatalog wurde massiv erweitert, was die Anzahl Verweise verzehnfacht. Die Bezeichnung “Durchsetzungsinitiative” ist Etikettenschwindel und Irreführung.

“Es werden viel zu wenige kriminelle Ausländer ausgeschafft!”

Im Abstimmungsbüchlein zur Ausschaffungsinitiative formulierte die SVP das Ziel von 1’500 Ausschaffungen pro Jahr. Nach deren Annahme wurde eine harte gesetzliche Umsetzung beschlossen, welche jährlich zu knapp 4’000 Ausschaffungen führen wird (sie wird in Kraft treten, sobald die Abstimmung zur Durchsetzungsinitiative vorbei ist). Das sind mehr als doppelt so viele wie von der SVP ursprünglich verlangt wurden. Die Durchsetzungsinitiative, welche zu mehr als 10’000 Ausschaffungen führen würde, ist also keine “Durchsetzung”, sondern ein unnötiger und gefährlicher Etikettenschwindel.

“An die Opfer denkt niemand! Ihr betreibt Täterschutz!”

Der Durchsetzungsinitiative geht es keineswegs um die Opfer. Sie kreiert jährlich Tausende unschuldige Opfer, indem sie Familien aufgrund eines Bagatelldelikts des Vaters, der Mutter, der Tochter oder des Sohnes auseinanderreisst. Nicht ohne Grund sind viele Organisationen, die sich für unterdrückte Minderheiten, Menschenrechte und die Anliegen der Frauen einsetzen, im NGO-Komitee gegen die Durchsetzungsinitiative. Zudem: Eine Straftat verursacht beim Opfer die gleichen Schäden, ungeachtet der Nationalität des Täters, der Täterin.

“Kuscheljustiz!”

Eine Strafe soll weiterhin strafen, aber sie soll nicht die Täter weiter in die Kriminalität treiben. Wir haben eine Justiz, die mit Augenmass richtet und will, dass sich die Täter wieder in die Gesellschaft eingliedern, arbeiten und Steuern zahlen. Das ist keine Kuscheljustiz, sondern ein sinnvolles System, welches auch die Staatsfinanzen schont. Ein Strafrecht, welches Kriminelle verbannen und mit drakonischer Härte von Straftaten abschrecken will, hatte Europa im Mittelalter. Die USA und Saudi Arabien zeigen, dass wir gut daran getan haben, dieses hinter uns zu lassen. Zudem ist unser System erfolgreich: Wir haben sehr tiefe Kriminalitätsraten – auch wenn die Kampagne der SVP uns ein anderes Gefühl zu vermitteln versucht.

“100% JA”

Sie wollen Menschen, die in der Schweiz geboren und aufgewachsen sind, aufgrund kleinster Vergehen die Existenzgrundlage in der Schweiz entziehen? Das ist unverhältnismässig, ungerecht und unanständig. Ausserdem bringt es keinen Mehrwert an Sicherheit und explodierende Kosten. Nein zur DSI am 28. Februar.

“Ich brauche keine Argumente”

Argumente konnte ich Ihrem Kommentar keine entnehmen, aber jede Menge Frust. Und der ist kein guter Ratgeber für sachliche Abstimmungen in einer demokratischen Diskussionskultur, in der das bessere Argument gewinnen möge.

“Ausländer können sich ja einbürgern lassen!”

Ja, können sie. Oder könnten sie zumindest, wenn die in den Einbürgerungsgesetzen vorgeschriebenen Wohnsitzdauern und Wartefristen es einem mobilen Einwohner nicht enorm erschweren, wenn nicht gar verunmöglichen würden, die Bedingungen zu erfüllen. Oft sind es genau diejenigen, welche heute sagen, man solle sich doch einbürgern lassen, welche normalerweise für möglichst harte Einbürgerungskriterien plädieren.

“Endlich Sicherheit schaffen!”

Die DSI will über 10’000 Personen pro Jahr ausschaffen. Viele dieser Personen können aber nicht abgeschoben werden, da wir keine Rücknahmeabkommen mit gewissen Ländern haben, oder weil in diesen Ländern Krieg herrscht. Im Kanton Genf könnten 50% der Verwiesenen nicht abgeschoben werden, was dazu führt, dass sie uns in Ausschaffungsgefängnissen teuer zu stehen kommen, oder dass sie als Sans-Papiers untertauchen. Hochgerechnet auf die ganze Schweiz könnte die DSI also bis zu rund 5’000 – 10’000 Sans-Papiers jährlich produzieren. Das sind Leute, die wir aus dem legalen Arbeitsprozess nehmen weil sie ohne Papiere nicht arbeiten dürfen. Ihnen bleibt oft nichts anderes übrig als ihren Lebensunterhalt auf illegale Art und Weise zu bestreiten oder auf Sozialhilfe angewiesen zu sein. Das schafft keine Sicherheit, sondern hohe Kosten. Warum die DSI unserer Sicherheit sogar schadet: Die DSI könnte zur Kündigung der europäischen Menschenrechtskonvention führen, welche die Grundrechte aller Schweizer schützt. Zudem ist sie ein weiterer Angriff auf die bilateralen Verträge mit der EU, unserem wichtigsten Handelspartner. Fazit: Die DSI schafft zusätzliche Unsicherheit, sie gefährdet unsere Grundrechte und schadet unserer Wirtschaft.

“Der Automatismus gilt nicht für alle Fälle und bei Verkehrsdelikten gibt es auch so einen Automatismus”

Das ist ganz klar unwahr. Der Automatismus würde für alle Delikte gelten. Ebenso falsch ist, dass Verkehrsdelikte keine Härtefallklausel haben. Wenn du zu schnell fährst, weil du jemanden notfallmässig ins Spital bringen musst, kann der Richter die Busse aufheben. Er hat dort einen Ermessensspielraum.

“Die DSI hilft Kosten zu senken”

Eben genau nicht! Wenn einem Täter selbst für leichte Vergehen eine vorbehaltlose Ausweisung droht, wird er kaum mehr zu einem Geständnis zu bewegen sein. Er wird sich stattdessen mit allen legalen Mitteln gegen ein Ausschaffungsurteil wehren und lange kostspielige Verfahren über mehrere Instanzen sind die Folge. Das Bundesgericht wird so mit einer regelrechten Flut von Rekursen konfrontiert werden. Die Konferenz der Schweizer Staatsanwälte rechnet aufgrund dessen mit 40 Millionen Franken Mehrkosten pro Jahr. Fazit: Die Kosten steigen, während die Gefägnisse voll bleiben.

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